Bauen auf dem Biohof

↓Translation

Als Architekturstudentin hatte ich es schwer, einen geeigneten Platz für das Baustellenpraktikum zu finden. Entweder konnten die Firmen keine Sanitäranlagen für Frauen zur Verfügung stellen, oder die Bedenken über das „Verhältnis zu den Männern auf der Baustelle“ standen meinem Praktikum im Weg.

Erst in meinem sechsten Semester wurde ich durch ein Plakat und später auch durch Empfehlung auf den Bauorden aufmerksam. Gemeinnützige Arbeit! Da sind Frauen ebenso gern gesehen wie Männer!

Im Sommer muss man am Meer sein, dachte ich und suchte nach einem Baucamp in der Nähe der Ostsee. In flirrender Augusthitze reiste ich nur wenige Wochen später auf den Hof Medewege in den Norden Schwerins.

Der Biohof Medwege

Auf dem „Biohof“ lebt und arbeitet eine anthroposophisch geprägte Gemeinschaft in allen Bereichen, die der Natur und dem Menschen dienen. Neben über 200 Hektar biologisch-dynamisch bewirtschafteter Feld- und Gartenfläche, einer Biobäckerei und einem Naturkostlieferservice sorgt ein Therapiebereich mit Massage-, Kunst- und Psychotherapie für das leibliche Wohl. Eine Reitschule, ein Waldorfkindergarten, sowie verschiedene Ateliers ergänzen das Angebot, nicht zu vergessen das hofeigene Biocafé sowie der hofeigene Bioladen.

Die ansässigen Familien leben zum Großteil im ehemaligen Gutshaus von 1824, welches seit einigen Jahren mit Hilfe des Bauordens saniert und in ein Wohnhaus umgebaut wird.

Freiwillige aus Russland, Kamerun, Bulgarien und Japan

In diesem Jahr fiel den IBOs die Fertigstellung der Gutshausfassade zu. Ich blieb drei Wochen und arbeitete in zwei Gruppen mit. Anfangs waren wir fünf Ausländer aus Kamerun, Russland, Bulgarien und Japan. Zwischen dem Sprachgewirr fanden sich vier deutsche Architekturstudenten. Wir wurden in einem Wohnhaushaus am Eingang des Hofes untergebracht, welches nach unserer Abreise vermietet werden sollte. Versorgt wurden wir einerseits natürlich durch den Hofladen, andererseits durch die Bauernküche, welche vorrangig den Kindergarten bekocht.

Ökologisches Bauen

Jeder Morgen begann mit einer Baubesprechung, bei dem die Anforderungen und Zuständigkeiten der anfallenden Arbeiten geklärt wurden. Wir teilten uns auf; die eine Hälfte vollendete die Holzverschalung an der Rückseite des Gutshauses unter Anleitung eines Zimmermanns. Die Latten wurden selbstständig bemessen, zugesägt, angeschraubt und mit einer biologischen Farbe bzw. Öl gestrichen. Beim Bauen auf dem Biohof geht es darum, umweltfreundliche Materialen zu verwenden.

Ich schloss mich der Gruppe an, welche der restlichen verputzten Fassade einen fröhlichen Anstrich verlieh. Ich sage fröhlich, weil sich alle Vorübergehenden ausgiebig freuten, die Aufhellung der grauen Front zu sehen. Auch dazu verwendeten wir eine bereits fertige Farbe aus einem Naturbauhaus.Nach der Grundierung musste jede Fläche ein zweites Mal gestrichen werden, was wir mit erstaunlicher Dynamik bewältigten. Die Putzfaschen um die Fensterlaibungen bekamen eine andere Farbe als die Wand. Waren wir mit einer Seite fertig, bauten wir das Gerüst ab und an einer anderen Stelle wieder auf.

Gerüstarbeiten: Wie Kinder beim Klettern

Ich gebe zu, dass mir das Gerüst am Anfang nicht geheuer war, aber ab dem 3. Tag fühlten wir uns alle wieder wie Kinder beim Klettern. So benahmen wir uns auch.

Nach meiner ersten Woche reiste die erste Gruppe ab. Sie wurde mit einem gemeinsamen Fußballspiel (IBOs gegen Medeweger) und einem Grillabend verabschiedet. Zu mir stießen ab der zweiten Woche drei junge Polen und zwei deutsche Mädchen. Da die Holzverschalung mittlerweile fertig war, arbeiteten wir alle beim Streichen weiter. Bei schlechtem Wetter – und es wurde schlecht – wechselten wir in den Windfang des Gutshauses zu Streich- und Aufräumarbeiten. Hier mussten wir die Farbe, Marmormehlkasein, erst anmischen. Nach dem Zweitanstrich reinigten wir die Fenster und Böden, sodass nur noch der Einbau der Schuhschränke zur Vollendung des Windfangs fehlte.

„Hier war der Maulwurf!“

Die letzte Woche war von zweierlei Arbeit geprägt: die Reste der Holzarbeiten und Gerüstteile mussten wetter- und kindersicher untergebracht werden, und wir begannen zum anderen den Fußweg zum Gutshaus neu zu pflastern. Das war nach der Arbeit in schwindelnder Höhe eine neue Erfahrung. Wir entnahmen die Pflastersteine Reihe für Reihe und schütteten darunter eine Wölbung mit Kies auf, bevor wir die Steine wieder platzierten, damit das Regenwasser künftig ohne Pfützenbildung an den Seiten ablaufen kann. Unsere Zeit reichte leider nicht, die Pflasterarbeit zu beenden. Als wir an unserem letzten Feierabend im Hofcafé saßen und stolz unsere gepflasterten Hügel bewunderten, sprang plötzlich ein kleiner Junge begeistert auf unseren Weg und rief: „Mama, guck mal, hier war der Maulwurf!“

Schnupperstunden in den Ateliers

Wenn wir unsere Freizeit mal nicht am Medeweger See verbrachten, besuchten wir Schwerin oder wurden zu Schnupperstunden in die Ateliers und zum Reiten eingeladen. Am Wochenende reisten wir auch mal ins nahe gelegene Wismar und an die Ostsee. Als IBOs fühlten wir uns auf dem Hof sehr willkommen. Zum Abschied luden wir zu einem IBO-Kaffeetrinken in den Garten unseres Hauses ein. Die Bäckerei spendierte uns und unseren Gästen dazu eine vorzügliche Neukreation von Apfel- und Pflaumenkuchen. Am letzten Tag fand wieder ein abschließendes Grillen statt.

Praxiserfahrung und Ökologie

In Medewege sind mir zwei Dinge ins Bewusstsein gerückt, welche mir im Studium bisher fehlten: wie wichtig Praxiserfahrung  und wie wichtig Ökologie beim Bauen sind.

Bei Letzterem muss man kaum daraufhin weisen, dass die Zukunft unserer Umwelt wesentlich in den Händen der Planer liegt. Auf dem Hof Medewege bekam ich einen wichtigen Einblick in die Bandbreite alternativer Materialen und Baustoffe sowie deren Finanzierung.

Nach drei Jahren Architekturstudium stellte ich allerdings auch fest, wie wenig praktisches Wissen ich bisher über Bauen als Handwerk erlernen konnte. Die Meinung vieler Handwerker, Architekten hätten gar keine richtige Ahnung, kommt vielleicht nicht von Ungefähr.

Und es ist ein tolles Gefühl am Abend zu sehen, wie viel man am Tage geschaffen hat!

Andrea (22) studiert in Cottbus Architektur. Ihr gefiel es in Medewege so gut, dass sie gleich noch einige Wochen länger blieb…

Translation

English

Building on the organic farm

As an architecture student, it was difficult for me to find a suitable place for the construction site internship. Either the companies could not provide sanitary facilities for women, or the concerns about the „relationship with the men on the construction site“ stood in the way of my internship.

Only in my sixth semester did I become aware of the Bauorden through a poster and later also through recommendation. Charitable work! Women are just as welcome as men!

In summer you have to be by the sea, I thought and searched for a construction camp near the Baltic Sea. In the shimmering heat of August I travelled only a few weeks later to the farm Medewege in the north of Schwerin.

The Medwege organic farm

An anthroposophically shaped community lives and works on the „Biohof“ in all areas that serve nature and mankind. In addition to more than 200 hectares of biodynamically managed field and garden area, a organic bakery and a health food delivery service, a therapy area with massage, art and psychotherapy provides for the physical well-being. A riding school, a Waldorf kindergarten and various studios complete the offer, not to forget the farm’s own organic café and the farm’s own organic grocery store.

The resident families live for the most part in the former manor house from 1824, which has been renovated and converted into a residential house with the help of the Bauorden for several years.

Volunteers from Russia, Cameroon, Bulgaria and Japan

This year, the IBOs completed the façade of the manor house. I stayed for three weeks and worked in two groups. At the beginning we were five foreigners from Cameroon, Russia, Bulgaria and Japan. Four German architecture students found themselves between the clutter of languages. We were accommodated in a house at the entrance of the courtyard, which was to be rented after our departure. On the one hand, we were supplied by the farm shop, of course, and on the other hand by the farmer’s kitchen, which primarily cooks for the kindergarten.

Ecological building

Every morning began with a building review, during which the requirements and responsibilities of the work to be done were clarified. We split up; one half of them completed the wooden boarding at the back of the manor house under the guidance of a carpenter. The slats were designed, sawn, screwed and painted with a biological paint or oil. Building on the bio-farm involves using environmentally friendly materials.

I joined the group which gave the rest of the plastered façade a cheerful painting. I say happy, because all the passersby were happy to see the lightening of the grey front. After the priming, each surface had to be painted a second time, which we mastered with amazing dynamics. The cleaning bottles around the window reveals were given a different colour than the wall. When we were finished with one side, we dismantled the scaffolding and rebuilt it in another place.

Scaffolding work: How children climb

I admit that the scaffolding was not good at the beginning, but from the 3rd day on I was happy. On the second day we all felt like children climbing again. That’s how we behaved.

After my first week the first group left. It was bid farewell with a joint football match (IBOs against Medeweger) and a barbecue evening. Three young Poles and two German girls joined me from the second week onwards. Since the wooden boarding was finished in the meantime, we all continued painting. In bad weather – and it got bad – we changed to the vestibule of the manor house for painting and cleaning work. Here we had to mix the color, marble flour casein, first. After the second coat of paint we cleaned the windows and floors, so that only the installation of the shoe cabinets to complete the vestibule was missing.

„Here was the mole!“

The last week was marked by two different tasks: the remains of the woodwork and scaffolding had to be stored in a weatherproof and child-resistant way, and we also began to pave the footpath to the manor house. This was a new experience after working at dizzying heights. We took the paving stones row by row and filled them with a vault with gravel underneath, before we placed the stones again so that the rainwater could run off without puddles on the sides. Unfortunately, our time was not enough to finish the paving work. When we were sitting in the Hofcafé on our last evening at the end of work and proudly admiring our paved hills, suddenly a little boy jumped enthusiastically on our way and shouted:“Mama, look, here was the mole!

Trial lessons in the studios

If we didn’t spend our free time at Medeweger See, we visited Schwerin or were invited to try out the ateliers and horseback riding. On weekends we also travelled to nearby Wismar and the Baltic Sea. As IBOs, we felt very welcome on the farm. For the farewell we invited you to an IBO-coffee drink in the garden of our house. The bakery gave us and our guests a delicious new creation of apple and plum cake. On the last day there was a barbecue.

Practical experience and ecology

In Medewege I have become aware of two things that were missing in my studies so far: how important practical experience and how important ecology is in building.

With regard to the latter, it is hardly necessary to point out that the future of our environment lies essentially in the hands of the planners. At the Medewege farm, I gained an important insight into the range of alternative materials and building materials as well as their financing.

After three years of studying architecture, however, I also found out how little practical knowledge I had about building as a craft. The opinion of many craftsmen that architects have no idea what they are talking about may not be by chance.

And it’s a great feeling to see how much you’ve achieved during the day!

Andrea (22) studies architecture in Cottbus. She liked it so much in Meddweg that she stayed a few weeks longer…