Zu Besuch in Hitzacker Dorf

Zwölf Gebäude schlängeln sich entlang der einzigen, staubigen Straße in Hitzacker Dorf. Die genossenschaftlichen Holzhäuser sind über die letzten Jahre in Eigenleistung der künftigen Bewohner und Bewohnerinnen mit Hilfe des Internationalen Bauordens entstanden. Ende des Jahres sollen sie fertig sein. Da muss der erste Bauabschnitt des Projektes, ein interkulturelles Mehrgenerationendorf in ökologischer Bauweise zu bauen, abgeschlossen sein. Die Kreditgeber verlangen es. Die Genossinnen und Genossen stehen jetzt unter Zeitdruck. Die Hilfe der Freiwilligen ist auch in dieser Saison sehr willkommen.

– Die Handwerker waren erst sehr skeptisch als Silvia und ich damals die Idee hatten, uns an den Bauorden zu wenden, erinnert sich Evelyn, die zusammen mit Silvia den ersten Baucamp „ins Dorf“ holte. Die Arbeit mit Organisation, Unterkunft und Verpflegung übernimmt der Verein Dorfleben Hitzacker e.V., der von Mitgliedern der Genossenschaft gegründet wurde, um interkulturelle und internationale Begegnungen zu fördern.

– Aber jetzt sind sie sehr zufrieden und freuen sich, wenn die jungen Helfer kommen!

Sauberer Schnitt

Vor zwei Jahren ist Jonas Al-Faisal nach Hitzacker gekommen. Er hat 2019 in dem dritten Bauordencamp in Hitzacker den Platz bekommen, den es eigentlich nicht gab, denn das Camp war voll ausgebucht. Und eigentlich wäre er damals beinah woanders hingegangen, zum Baucamp in Roidin. Aber er ist in Hitzacker gelandet. Und jetzt sitzt er auf dem Sofa mir gegenüber und erzählt.

– Es war keine bewusste Entscheidung hierzubleiben, sagt er. Das hat sich irgendwie selbst entschieden.

Die Genossen in Genossinnen haben sich über die Entscheidung gefreut und Jonas in ihre Reihe aufgenommen. Jetzt baut er die Häuser weiter und betreut in den Baucamps seine NachfolgerInnen vom Bauorden.

Neben Jonas sitzt Buket Yigit. Sie kommt wie er aus dem Süden der Republik und war 2020 bei einem Baucamp dabei. Sie traf Jonas und blieb in Hitzacker. Im Dorf wohnt sie aber noch nicht, sondern in einer WG in der Stadt, wo sie sich sehr wohl fühlt und auch Arbeit gefunden hat.

Buket und Jonas

Evelyn erzählt von den Anfängen des Projektes. 2015 war das, es waren viele Flüchtlinge da und es gab zu wenig Platz. So entstand die Idee ein Dorf zu bauen, ein Dorf für 300 Leute.

– Die Idee war und ist, dass wir zu einem Drittel Jüngere sein sollen, einem Drittel Ältere und zu einem Drittel Migranten. Aber das Problem ist, dass die jungen Leute nicht aufs Land ziehen wollen. Sagt Evelyn.

Jonas und Buket wollen das schon. Besonders was das Zwischenmenschliche angeht sei das Leben auf dem Land anders als in der großen Stadt, behaupten sie. Der Kontakt zu den Menschen sei hier anders, ehrlicher. Besonders während der Lockdowns waren sie froh, in einer ländlichen Gegend zu leben.

Nach der Erfahrung der letzten Jahre, dass immer die eine oder der andere hier bleibt, wurden die jetzigen Baucamper Joos Rinck und Laurenz Golser gefragt, wer von ihnen es nun sein wird.

– Ich komme aus Wien, sagt Laurenz. Ich brauche die Stadt. Aber für zwei Wochen ist es schon okay hier. Joos sieht das genauso.

Laurenz und Joos

Dass das Camp pandemiebedingt nur sehr klein ist und die beiden nur zu zweit sind, störe sie nicht sonderlich.

– Es sind ja trotzdem viele andere da. Wir sind ja nicht allein, betont Joos, der aus der Hamburger Gegend kommt. Dennoch wäre es vielleicht cooler gewesen, eine große Gruppe zu sein, überlegt er.

Leben auf der Baustelle – Platz gibt es genug!

– Die kleinen Gruppen sind häufig offener nach Außen, stellt Jonas fest. Sie interessieren sich mehr für das drum herum, was ja auch schön ist.

Die Hitzacker Dörfler bauen ihre Häuser zum großen Teil selbst. Der Vorteil davon sei mit Jonas Worten eine Selbstwirksamkeitserfahrung, ein erhebendes Gefühl.

– Es ist wichtig, wieder diese zeitaufwendigen Sachen zu machen. Das fehlt heutzutage, betont er.

Im Hitzacker Dorf macht man so manches anders als „normal“. Man baut anders und man lebt anders. Von den Alteingesessenen in der Stadt Hitzacker wird man zum Teil sehr skeptisch beäugt.

– Viele sind sehr negativ eingestellt, andere sehr positiv. Dazwischen scheint es nichts zu geben, erzählt Evelyn.

– Aber wenn die zwölf Häuser fertig sind, werden wir uns mehr öffnen, uns integrieren. Wir werden ins Gemeinschaftshaus zu Veranstaltungen einladen.

Nur Lyrik und Liebesbriefe

Vielleicht kann auch der Dokumentarfilm, der ab dem 22. Juli, im Kino läuft, zum gegenseitigen Verständnis beitragen. Eine Filmemacherin hat die GenossInnen und ihre HelferInnen vier Jahre lang begleitet und „Wir alle. Das Dorf“ gedreht.

Nix wie hin!

Danke an Evelyn, Jonas, Buket, Joos und Laurenz für die Bereitschaft zu erzählen!

Jenny